Beschichtungstechnik: Leonhard Kurz erweitert Entwicklungs- und Versuchskapazitäten

„All-in-one“-Spritzgießanlagen

Beide Spritzgießmaschinen sind mit Rolle-zu-Rolle-Folienvorschubeinheiten ausgerüstet. Die Roboter tragen eine Folien-Wärmeplatte und gegenüber davon den Sauggreifer zur Fertigteil-Entnahme

Die Leonhard Kurz Stiftung mit Ihrem Headquarter in Fürth entwickelt und produziert dekorative und funktionelle Beschichtungen für unterschiedlichste Kunststoffanwendungen, die mittels Trägerfolien beim Spritzgießen auf Kunststoffbauteile übertragen werden. Wesentliches Entwicklungsziel ist die Technologie- und Prozessentwicklung, sowie der Ausbau  der 3D-Verformung, an Ecken und entlang des Formteil-Umrisses. Dazu unterhält Leonhard Kurz ein umfangreiches Spritzgieß-Technologie-Centrum. Hier zu finden u.a. zwei Produktionszellen auf Basis von servohydraulischen Wittmann Battenfeld Smart Power-Spritzgießmaschinen mit 1.200 und 2.100 kN Schließkraft.

Das Automobil ist für viele von uns zu einer Art zweitem Wohnzimmer geworden, in dem wir tendenziell immer mehr Zeit verbringen, der Zunahme der Verkehrsdichte sei Dank. Aber anders, als dort zu entspannen, sind wir einer Reihe von Stressfaktoren ausgesetzt. Als Kompensationsmaßnahmen haben die Autohersteller in den letzten Jahren zunehmend in die Verbesserung der Ergonomie, in Assistenzsysteme, aber auch in die „Wohnlichkeit“ des Fahrerumfeldes investiert, insbesondere durch die Verbesserung der Oberflächen-Umgebung. Dazu zählt das Beschichten harter Verkleidungsteile mit Softtouch-Elastomeren, das Lackieren, das Bedrucken oder die Kombination aus dekorierten Oberflächen und Strukturteilen. Insbesondere Letzteres erweist sich durch die Fortschritte in der Folientechnik als Methode mit dem größten Innovationspotenzial, deutliche Zuwachsraten hier belegen dies.

Mehr als nur Glanz, Dekor und Kratzschutz

Bereits seit den 1980er-Jahren spielen Folien eine zunehmend wichtige Rolle für die Oberflächengestaltung von Kunststoffteilen. Zu Beginn hauptsächlich als Trägerfolien für Metallschichten zur Übertragung auf einen Kunststoffteil durch Heißprägen. Daraus abgeleitet erlangte die Folie als Transfermedium zur Übertragung von Designschichten / Druckdekors während des Spritzgießprozesses wachsende Bedeutung. Dafür wird das Rolle-zu-Rolle-Transferverfahren (IMD = In-Mold-Decoration im Transferverfahren) eingesetzt. Ein speziell von Kurz entwickeltes Folienvorschubgerät zieht die beschichtete Folienbahn (meist aus Polyester) zyklussynchron durch das offene Spritzgießwerkzeug, dabei können Endlosdesigns mittels Wegsteuerung und auch Einzelbilddekore mittels Lichtleiterpositionierung gesteuert werden. Die IMD werkzeugspezifische Klemmrahmen und Vakuumtechnik sorgt dann für eine passgenaues halten und einziehen in die Werkzeugkavität. Anschließend wird das Lacksystem „hinterspritzt“ und geht dabei eine haftende Verbindung mit dem Kunststoff ein. Nach der Trennung des Folienträgers vom Lacksystem beim Werkzeugöffnungsvorgang, wird das inline dekoriert Bauteil normal entformt. Bei dieser Dekorationsmethode spricht man auch von einem „Trockenlack- Dekorationssystem“ (Schutzlack inkludiert).

Leonhard Kurz im fränkischen Fürth ist der Marktführer bei Transferprodukten für die Oberflächengestaltung von Kunststoffteilen. Über die traditionellen Heißprägefolien und die IMD-Folien hinaus bietet Kurz ein weites Spektrum an Spezialeffekt- bzw. Funktionsdekoren an. Beispielsweise so genannte PMD (Print Mould Design)-Folienbauteile. Es sind dies glasklare Polycarbonat-Folien, die auf beiden Seiten mit einem präzise aufeinander abgestimmten Design bedruckt werden. Dadurch lassen sich Dekors mit 3D-Anmutung darstellen. Wegen der relativ hohen Steifigkeit und der hohen Erweichungstemperaturen eignen sich die PC-Folien nicht für die Direktverarbeitung auf der Spritzgießmaschine, sondern müssen außerhalb derselben durch Tiefziehen und nachfolgende Bearbeitungsschritte zu Einlegteilen konfektioniert werden. Im Spritzgießwerkzeug hinterspritzt werden daraus Armaturen- oder Mittelkonsolen für Automobile.

Varioform-IMD verschiebt Anwendungsgrenzen und Stückkosten

Das IMD-Rollendurchzugsverfahren, bei dem Polyesterfolien verarbeitet werden, als auch das PMD-Folien-Einlegeverfahren sind keine Universallösungen für Dekoraufgaben. Sie unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Anwendungsgrenzen als auch der Kosten. So lassen sich die, von der Rolle weg verarbeiteten IMD-Polyester-Folien innerhalb eines Spritzgießzyklus nur in relativ engen Grenzen dreidimensional verstrecken.

Um einen weiteren Schritt in Richtung dreidimensionaler Designübertragung zu gehen, wurden Verfahrenskombinationen von Kurz intelligent prozesstechnisch zusammengeführt und hieraus das „Einschritt-Varioform-IMD-Rolle zu Rolle Verfahren“ entwickelt. Martin Hahn, verantwortlich für den Bereich Application, Technologie & Innovation, erläutert: „Durch diese applikationstechnische zusätzliche Technologieentwicklung eröffnet sich ein breites Spektrum in der Auswahl der Foliensysteme im Schulterschluss mit den Spritzgießsubstratmaterialien (z. B. PP, ABS-TPU). Dadurch ergeben sich neue Variationsmöglichkeiten auch im Bauteilaufbau bei gleichzeitiger Nutzung einer vielseitigen Designperspektive, sowie unter der wirtschaftlichen Betrachtung mittels einem „One Shot Rolle zu Rolle IMD-Verfahren“ eine noch größeren 3D-Formbarkeit zu erreichen. Designwechsel erfolgen analog zum Standard-IMD-Verfahren durch einfaches Austauschen der Folienrolle. Ebenso können verschiedenste Einzelbild- und Endlosdekore, sowie Funktionsfolien verarbeitet werden. Dadurch sind nun auch besonders hochwertige Oberflächengestaltungen wirtschaftlich realisierbar. IMD Varioform bildet somit ein weiteres Bindeglied in der Kurz Applikationstechnologie."